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Deutsch-ukrainisches Historikertreffen in Kiew, 25. Juni 2014
Am 25. Juni fand in Kiew ein deutsch-ukrainisches Historikertreffen statt. Auf Initiative von Martin Schulze Wessel und Yaroslav Hrytsak kamen deutsche und ukrainische Historikerinnen und Historiker zusammen, um über Perspektiven eines engeren Austausches zwischen der Ukraine und Deutschland zu beraten. Zu den Teilnehmern zählten u.a. Guido Hausmann, Andreas Kappeler, Julia Obertreis, Ihor Shchupak, Sergij Stelmach und Anna Veronika Wendland.
Martin Schulze Wessel (VHD/ LMU München) betonte in seiner Eröffnungsrede, dass die gegenwärtige Krise besonders Historiker anginge, zeige sie doch die Traditionen imperialer Großmächtepolitik. Gerade im Angesicht der Konjunktur reduktionistischer kultureller Deutungen der aktuellen Krise, kann die Geschichtswissenschaft dazu beitragen, Deutungen „jenseits des Kulturalismus“ zu stärken und dem Missbrauch von Geschichte durch machtpolitische Interessen entgegenzutreten.
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Julia Obertreis (Universität Erlangen-Nürnberg) sprach als Vertreterin des Verbandes der Osteuropahistorikerinnen und Osteuropahistoriker und betonte, dass das Treffen ukrainischer und deutscher Historiker in Kiew mehr als sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein schönes Symbol ist. Gerade im Angesicht der Revolution in der Ukraine, sei eine verstärkte Kooperation zwischen Deutschland und der Ukraine geboten.
Andreas Kappeler (Universität Wien) fasste in einem Vortrag den Stand der Ukraine-Forschung in Deutschland zusammen und wies daraufhin, dass diese nach wie vor kaum institutionalisiert sei. Nur an wenigen deutschen Universitäten gäbe es überhaupt die Möglichkeit, Ukrainisch zu erlernen.
Anna Veronika Wendland (Herder-Institut Marburg) analysierte die deutsche Reaktion auf die Revolution in der Ukraine im Februar 2014. Sie beklagte, dass allzu oft die komplexe Geschichte und Gegenwart der Ukraine auf einen vermeintlichen Antagonismus zwischen „Ost“ und „West“ reduziert werde und die Ukrainer als Akteure in solchen Erzählungen oft nicht als historische und politische Subjekte ernst genommen würden.
Sergij Stelmach (Universität Kiew) referierte über den Stand der Deutschland-Forschung in der Ukraine. Analog zur Ukraine-Forschung in Deutschland hänge auch hier vieles von individuellen Kontakten ab und es fehle eine Institutionalisierung.

In der anschließenden lebhaften Diskussion gab es eine Reihe von Vorschlägen für eine engere Zusammenarbeit zwischen ukrainischen und deutschen Historikern. Auf Zustimmung stieß Yarloslav Hrytsaks Plädoyer, dass dies schon auf der Ebene eines Studenten- und Doktorandenaustausches beginnen müsse. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern auch darüber, dass neben der Organisation deutsch-ukrainischer Konferenzen vor allem die Bildung einer deutsch-ukrainischen Historikerkommission nach Vorbild der deutsch-polnischen ein lohnendes und wichtiges Projekt für die Zukunft sei.
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Bericht: Franziska Davies (LMU München) / Fotos: Julia Obertreis (Univ. Erlangen Nürnberg)
VHD-Pressemitteilung zum deutsch-ukrainischen Historikertreffen (25.6.2014)