„Löschmoratorium“ der Afghanistanakten

8. September 2021

Der VHD, der VdA und das Bundesarchiv fordern eine größere Sorgfaltspflicht bei der Aktenabgabe

Die jüngste Auseinandersetzung über die Afghanistankrise hat im Bundestag die Forderung nach einem Löschmoratorium zugehöriger Akten aufkommen lassen. Dieses Moratorium wurde im Bundestag abgelehnt. Über diesen Einzelfall hinaus berührt es die für eine Demokratie zentrale Frage, ob und wie für politische Entscheidungsprozess wichtige Mitteilungen (in Form von E-Mails, Chats oder Textnachrichten) überliefert werden. Prinzipiell sind die Vorgaben des Bundesarchivgesetzes für die Archivierung von Dienstakten und Kommunikationsmedien ausreichend. Allerdings fehlt es an dem Bewusstsein, dass auch über Messengerdienste ausgetauschte Informationen nach dem Gebot der Aktenmäßigkeit der Verwaltung in den Dienstakten zu dokumentieren sind. Somit unterliegen SMS oder vergleichbare Kommunikationsformate einer zumindest mittelbaren Anbietungspflicht. Hier entsteht in der Praxis jedoch ein großes Defizit in der Umsetzung, wie an Fällen in der jüngeren Vergangenheit deutlich wurde (etwa Umgang mit den Handydaten der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen). Der Legislaturperioden-Wechsel mit der Wahl am 26. September 2021 führt darüber hinaus zu einer Zäsur in der Aktenführung. Vor allem elektronische Daten (E-Mails, SMS, Messenger-Nachrichten) in den Ressorts sowie im Bundeskanzleramt rund um das Thema Afghanistan müssen deshalb jetzt durch ein Löschmoratorium gesichert werden.

Um wichtige Themen wie die Afghanistankrise aufarbeiten zu können, sind auch spätere Historikerinnen und Historiker zwingend auf die Rekonstruktion der internen Kommunikation angewiesen, auch wenn sie digital geschieht. Der VHD, der VdA und das Bundesarchiv möchten sich deshalb dem geforderten Löschmoratorium mit Nachdruck anschließen. Diese Informationen sind eine wesentliche Voraussetzung für jede wissenschaftliche historische Erforschung und Aufarbeitung. Vor allem möchten wir eine sachliche generelle öffentliche Diskussion über den Umgang mit flüchtigen Kommunikationsformen bei der Dokumentation von Regierungs- und Verwaltungshandeln und die oft mangelhafte Qualität und Lückenhaftigkeit der Dienstakten anstoßen. Wenn zentrale Informationen zum Verständnis politischer Prozesse dauerhaft verloren gehen, weil eine angemessene Dokumentation unterblieben ist, wird eine spätere abgewogene Rekonstruktion und Bewertung demokratischer Verfahren, die Gerüchten entgegentritt, kaum möglich sein.