Machtmissbrauch in der Wissenschaft ist ein Thema, das immer mehr Beachtung findet – auch in der Geschichtswissenschaft. So wurden in den vergangenen Jahre immer wieder Fälle von Machtmissbrauch und wissenschaftlichem Fehlverhalten in der Geschichtswissenschaft öffentlich. Dabei handelt es sich nicht nur um Einzelfälle oder individuelle Fehltritte. Vielmehr sind es Strukturen, die Machtmissbrauch ermöglichen und bedingen. Dies soll und darf nicht verschwiegen werden. Deshalb ist es das Ziel des VHD, die Strukturen des Machtmissbrauchs abzustecken und mit konkreten Empfehlungen auf eine Veränderung der Fachkultur hinzuwirken. 

Historische Seminare, Institute oder andere Orte, an denen geschichtswissenschaftlich geforscht und vermittelt wird, dürfen keine Orte der Angst sein, an denen Abhängigkeiten missbraucht werden. Stattdessen muss es um ein respektvolles Miteinander gehen.

Lutz Raphael Vorsitzender des VHD

Die Arbeitsgruppe „Fachethische Fragen“ des VHD hat den Auftrag übernommen, diese strukturellen Ermöglichungsbedingungen systematisch aufzudecken und Empfehlungen zu formulieren, um individuellem Fehlverhalten und strukturellen Fehlentwicklungen in Zukunft entgegenzuwirken. Die AG hat bewusst eine Umfrage an den Anfang ihrer Arbeit gestellt. Am 27. Mai 2025 wurde das Leitbild „Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft verhindern“ veröffentlicht, das von der AG erarbeitet und am 16. Mai 2025 einstimmig vom Ausschuss angenommen wurde. Die Ergebnisse der Umfrage sowie eine quantitative Auswertung stehen zum Download bereit.

9. Februar 2024

Gründung der AG Fachethische Fragen im VHD

Mitglieder: Antje Flüchter, Peter Haslinger, Helene Henze, Cornelia Linde und Lutz Raphael sowie für die VHD-Geschäftsstelle Christiane Weber 

Sommer 2024

Vorbereitung der Umfrage und Beginn der Arbeit am Leitbild

17. Dezember 2024 – 28. Februar 2025

Durchführung der anonymen Umfrage

März/April 2025

Auswertung der Umfrage durch externe Expert:innen

April 2025

Sichtung der Ergebnisse durch die AG Fachethische Fragen im VHD

April/Mai 2025

Finalisierung des Leitbilds durch die AG

16. Mai 2025

Einstimmige Verabschiedung des Leitbilds durch den Ausschuss des VHD

27. Mai 2025

Veröffentlichung von Leitbild und Umfrageergebnissen

Umfrage zeichnet Bild des strukturellen Machtmissbrauchs

Knapp 600 Menschen haben zwischen Dezember 2024 und Februar 2025 an der anonymen Umfrage des VHD teilgenommen. Es beteiligten sich somit gut 10% der an deutschen Hochschulen im Fach Geschichte wissenschaftlich Beschäftigen sowie zudem Stipendiat:innen, technische und andere Mitarbeiter:innen und freiberuflich tätige Historiker:innen. Die Antworten decken einen Zeitraum der letzten 20 Jahre bis heute ab. Hervorzuheben ist, dass unterschiedliche Statusgruppen Einblicke in ihre Erfahrungen mit Machtmissbrauch und wissenschaftlichem Fehlverhalten gewährt haben. Der Dank gilt ausdrücklich allen, die die Umfrage ausgefüllt und zu ihrer weiten Verbreitung beigetragen haben! 

Die Umfrage entstand in enger Anlehnung an eine vergleichbare Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Die Fragen wurden in Absprache mit den Verantwortlichen der DGPs und unter Mitarbeit von zwei Kolleginnen aus der Psychologie für die Geschichtswissenschaft angepasst.

Leitbild als Impulsgeber für einen Wandel der Fachkultur

Die VHD-Umfrage macht das Ausmaß des Machtmissbrauchs in der Geschichtswissenschaft deutlich und deckt sowohl selbsterlebtes wie auch in geschichtswissenschaftlichen Kontexten wahrgenommenes Fehlverhalten ab. Das Ergebnis ist ein Zeichen, dass es einen Kulturwandel im Fach braucht. Der Ausschuss des VHD hat daher einstimmig das Leitbild „Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft verhindern“ verabschiedet. Leitbild und Umfrageergebnisse werden bewusst gemeinsam veröffentlicht, denn die offen benannten Probleme sollen konkrete Handlungen anstoßen. 

Das Leitbild „Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft verhindern“ soll helfen, Fälle von Machtmissbrauch in Zukunft zu verhindern – nicht zuletzt durch einen Kulturwandel hin zu einem respektvollen Miteinander. Zudem soll es Hinweise geben, wie am besten zu verfahren ist, wenn ein Fall von Machtmissbrauch geschehen ist. Zudem soll es die Aufmerksamkeit für gute wissenschaftliche Praxis in unserer Disziplin steigern und festigen.

Ein Thema, das im Fokus bleibt – die weiteren Schritte des VHD gegen Machtmissbrauch und wissenschaftliches Fehlverhalten

Die gewissenhafte, externe und interne Auswertung der Umfrageergebnisse geht weiter. Im Juni 2025 werden Ergebnisse mit Fokus auf die Situation speziell der Promovierenden veröffentlicht, die im System der Abhängigkeiten eine vulnerable Gruppe darstellen. 

Aktuell werden die Freitexte auf Einhaltung des Datenschutzes geprüft. Nach Abschluss der Prüfung erfolgt die vollständige Freigabe der erhobenen Daten für die weitere Forschung. 

Die Beschäftigung mit Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft ist damit nicht abgeschlossen. Vielmehr rufen Vorstand und Ausschuss des VHD dazu auf, sich mit dem Leitbild auseinanderzusetzen und dieses gemeinsam als Fachgemeinschaft zu diskutieren, damit es konstant erweitert werden kann. So wird es auf dem Historikertag 2025 eine Podiumsdiskussion zu „Schutz vor Machtmissbrauch in der Geschichtswissenschaft“ geben.


Wenn Sie Machtmissbrauch oder sexualisierte Gewalt im akademischen Umfeld erlebt haben, ist es wichtig zu handeln. Bitte suchen Sie sich adäquate und professionelle Hilfe und Unterstützung.

Eine Übersicht wichtiger Anlaufstellen steht Ihnen hier zum Download bereit.