VHD trauert um Thomas Großbölting
Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) trauert um Prof. Dr. Thomas Großbölting. Am Dienstag, 11. Februar 2025, meldeten die Nachrichten die Kollision eines ICE mit einem Sattelschlepper an einem Bahnübergang bei Hamburg-Rönneburg gegen 14 Uhr. Es gab 25 Verletzte und ein Todesopfer. Dann hieß es, dabei handele es sich um einen Mann von 55 Jahren, später: um einen Hamburger Professor. Am nächsten Tag schließlich die schreckliche Gewissheit: Es war Thomas Großbölting.

Am 30. März 1969 in Dingden, Kreis Wesel, geboren, legte Thomas Großbölting im benachbarten Bocholt 1988 das Abitur ab. Sein Studium der Geschichte, katholischen Theologie und Germanistik in Köln, Bonn und Rom schloss er 1994/95 in Münster mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt ab. Mit seiner Arbeit über „SED-Diktatur und Gesellschaft. Bürgertum, Bürgerlichkeit und Entbürgerlichung in Magdeburg und Halle“ wurde er 1997 promoviert.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer habilitierte er sich 2004 in Münster für Neuere und Neueste Geschichte mit einer Studie über „Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790-1914“.
Es folgte eine Lehrstuhlvertretung an der Otto von Guericke Universität Magdeburg, dann die Leitung der Abteilung Bildung und Forschung bei der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen in Berlin. 2007 als Professor für die Geschichte der Neuzeit zurück an der Otto von Guericke Universität, nahm Thomas Großbölting 2009 den Ruf auf die Professur für Neuere und Neueste Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster an, die er bis 2020 bekleidete – die letzten vier Jahre zugleich als Dekan des Fachbereichs 8. Ende 2020 wechselte er als Nachfolger von Axel Schildt auf die Position des Direktors der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.
Thomas Großbölting war immer sehr am Transfer zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit gelegen. Besondere Bekanntheit erlangte er durch das 2019 vom Münsteraner Bischof angestoßene Projekt „Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945“, das er federführend und engagiert leitete und vollendete. Andere einschlägige Werke untersuchten die NS-Volksgemeinschaft in einer Kleinstadt, Religion im Nationalsozialismus sowie unter dem Titel „Der verlorene Himmel“ das schwindende Christentum in Deutschland seit 1945, schließlich, ebenfalls bis in die Gegenwart reichend, die „Wiedervereinigungsgesellschaft“.
Thomas Großbölting war unter anderem seit 2013 Mitglied in der Historischen Kommission für Westfalen, langjähriges Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission der Bonner Kommission für Zeitgeschichte, Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, Mitglied verschiedener Beiräte sowie des VHD. In dessen Organisationsteam bereitete er vor Ort alles dafür vor, dass der 52. Historikertag in Münster 2018 gelingen konnte.
Nicht nur die von ihm ausgehenden Inspirationen für neue Projekte und sein fundierter Weitblick als Historiker werden uns in Erinnerung bleiben, sondern auch sein zugewandtes, warmherziges Wesen, sein empathisches Zuhören, sein entwaffnender Humor und sein diplomatisches Geschick, konfligierende Lager zusammenzubringen. Mit Thomas Großbölting verlieren wir einen lieben Menschen, guten Freund und hochgeschätzten Kollegen. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands wird seiner immer gedenken und trauert mit seiner Frau und seinen vier Kindern.
Den Nachruf verfasste Prof. Dr. Olaf Blaschke.
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