Die Arbeitsbedingungen jüngerer Historiker:innen in unseren Universitäten und Forschungsinstituten müssen besser werden, Stellungnahme des VHD zur Evaluation des WissZeitVG

27. Juni 2022

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) fordert in einer Stellungnahme zur Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) die grundlegende Nachjustierung des Gesetzes. Die Arbeitsbedingungen jüngerer Historiker:innen in unseren Universitäten und Forschungsinstituten müssen besser werden.

Der VHD hat die vorliegenden Evaluationsberichte zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen für Wissenschaftler:innen im deutschen Wissenschaftssystem zur Kenntnis genommen. Die nun vorliegenden Daten und Befragungen unter unseren Mitgliedern bestätigen die Sorgen des Verbandes.

Es besteht auch nach der Novellierung von 2016 weiter Reformbedarf:

  • Die Rechtsunsicherheit beim Abschluss befristeter Verträge ist viel zu hoch: Personalverwaltungen sehen sich in vielen Fällen nicht in der Lage, die Angemessenheit von Laufzeiten und Qualifizierungszielen im konkreten Vertragsfall einzuschätzen und sicherzustellen. Daraus ergeben sich in vielen Fällen Nachteile für die betroffenen Wissenschaftler:innen und erhebliche Ungleichheiten in der Anwendung des WissZeitVG. Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern hat diese Missstände in der Praxis auch für das Fach Geschichte bestätigt.
  • Befristungszeiten und Qualifizierungsziele passen nicht zueinander. Wie in den meisten geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, aber auch in vielen anderen Fächern beträgt die durchschnittliche Promotionszeit 4 Jahre und mehr. Das Promotionsalter liegt im Fach Geschichte seit mehr als 20 Jahren dementsprechend konstant bei knapp 33 Jahren (Median).
  • Die Diskrepanz zwischen Befristung und Qualifizierungsziel ist im Fall der Habilitation noch größer. Das Durchschnittsalter bei der Habilitation liegt im Fach Geschichte konstant bei 44 Jahren, sie erfolgt also im Durchschnitt zehn Jahre nach der Promotion. Der gesetzlich vorgegebene Rahmen von 2×6 Jahren verhindert, dass wie eigentlich vom Gesetz vorgesehen Befristungsdauer und Qualifizierungsziel zueinander passen. Der Evaluationsbericht zeigt, dass dies auch in anderen Fächern ein Problem darstellt.

Qualität von Forschung und Lehre und gute Arbeit im Wissenschaftssystem brauchen eine grundlegende Nachjustierung des WissZeitVG. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien (DGfA) und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) hat der VHD auf die Evaluationsberichte zum WissZeitVG reagiert und die Ministerin, Frau Stark-Watzinger, aufgefordert, die Chance für eine Reform des Befristungsrechts im deutschen Wissenschaftssystem zu nutzen. (Erklärung der Verbände, 16. Juni 2022) Entfristungen promovierter Historiker:innen in Forschung und Lehre müssen häufiger und früher als bisher erfolgen; dazu muss vor allem die Grundfinanzierung universitärer Forschung und Lehre zulasten der wachsenden Drittmittelquote gestärkt werden. Das erfordert parallel zur Novellierung des WissZeitVG gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Hochschulleitungen.

Eine bessere rechtliche und finanzielle Rahmenordnung bedarf der konkreten Ausgestaltung durch eine entsprechende Praxis in der akademischen Forschung und Lehre in den Fächern. Der VHD hat auf der letzten Mitgliederversammlung dazu eine Resolution verabschiedet. Er sieht sich in der Pflicht, auch die disziplinspezifischen Standards für Promotionen und Habilitationen auf den Prüfstand zu stellen und die Diskussionen darüber zu organisieren, wie Qualifizierungsphasen und wissenschaftliche Berufswege im Fach Geschichte künftig besser gestaltet werden können. Im Wintersemester 2022/23 sollen in zentralen Veranstaltungen konkrete Wege zur Verbesserung der Situation von Promovierenden und Promovierten in der Qualifizierungsphase diskutiert werden.

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V. (VHD) ist das Vertretungsorgan der deutschen Geschichtswissenschaft in der Öffentlichkeit. Kernaufgabe des VHD ist die Veranstaltung des Deutschen Historikertags. Als Interessenvertretung setzt sich der VHD in vielfältiger Weise für die Belange seiner Mitglieder ein und steht als Fachverband im ständigen Dialog mit Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Der VHD hat zurzeit etwa 3.400 Mitglieder.

V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Lutz Raphael (Vorsitzender)