Stellungnahme des VHD zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz

8. Mai 2012

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 sollte nach den Vorstellungen des Gesetzge-bers die 12-Jahres-Regelung im Hochschulrahmengesetz von 2002 entschärfen und bei er-folgreicher Einwerbung von Drittmitteln eine Weiterbeschäftigung für Wissenschaftler/innen auch nach Ablauf der 12 Jahre regelmäßig möglich machen. Die Gesetzesnovelle reagierte auf eine allseits festgestellte Fehlentwicklung der Wissenschaftspolitik, zeitigte jedoch ihrer-seits bedenkliche Folgen: 

Die jüngste Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat zur Folge, dass an verschiedenen Uni-versitäten in Deutschland PostdoktorandInnen bzw. Habilitierte, die die Beschäftigungszeit von 12 Jahren an Universitäten überschritten haben, wenn überhaupt, nur unter größten Schwierigkeiten eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erhalten. Dies gilt auch dann, wenn sie selbst oder die ProfessorInnen, denen ihre Stelle zugeordnet ist, für die Stelle erfolgreich Drittmittel eingeworben haben. Einige Universitäten gehen sogar so weit, die zuständigen Institute zu zwingen, für Drittmittel beschäftigte Personen, die die 12-Jahres-Frist überschrit-ten haben, Bürgschaften zu übernehmen, falls jene sich einklagen sollten. Die meisten Insti-tute können dies nicht leisten – es ist auch nicht ihre Aufgabe. Die Erfahrung zeigt zudem, dass fast jede Universität bereits bei der Erfassung der Dienstzeiten in Bezug auf Hilfskraft-zeiten, Stipendienzeiten etc. die 12 Jahre anders berechnet, so dass auch schon vor Errei-chen der Ausschlussfrist bei einem Wechsel an andere Universitäten große Probleme ent-stehen können und so die Basis einer Zukunftsplanung unsicher bleibt. Für die Betroffenen macht diese Auslegung des WZVG die Ausübung Ihres Berufes faktisch unmöglich und zwingt sie nicht selten, ins Ausland abzuwandern. Der Historikerverband betrachtet diese erzwun-genen Brüche als eine inakzeptable Fehlentwicklung, die hoch qualifizierte, im Wettbewerb um Drittmittel erfolgreiche WissenschaftlerInnen, deren langjährige Qualifizierung im deut-schen Wissenschaftssystem öffentliche Mittel und persönliche Entbehrungen gekostet hat, in unverantwortbarer Weise trifft. Das ist weder wissenschaftlich noch menschlich akzepta-bel. 

Denn auch die bei der Reformierung des Hochschulrahmengesetztes genährte Vorstellung, dass Karrieren in der Regel nach 12 Jahren verstetigt werden sollen, wird von der Realität nicht erfüllt. Die Zahl der qualifizierten Bewerber ist hoch, während nicht zuletzt durch poli-tische Maßnahmen die Zahl der Dauerstellen an deutschen Universitäten schrumpft, zumin-dest aber stagniert. Die Situation ist dabei in Deutschland besonders dramatisch, da hier im Gegenzug zu den meisten anderen Ländern nur 13% aller Stellen an Universitäten unbefris-tete W2/W3 Professuren sind. Die Aussichten für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind also keineswegs als rosig zu bezeichnen. 

Es scheint  dem Historikerverband auch erneut an der Zeit, auf das allgemein wachsende Missverhältnis zwischen wissenschaftlichem Nachwuchs und dauerhaften Beschäftigungs-möglichkeiten hinzuweisen. Sowohl aus sozialen wie aus wissenschaftlichen Gründen halten 

wir es für nicht akzeptabel, dass ein Großteil des wissenschaftlichen Nachwuchses ohne Per-spektive dasteht. Die Drittmittelbeschäftigung auch über das 12. Jahr hinaus bot hier zumin-dest die Möglichkeit, korrigierend einzugreifen. Diese Möglichkeit muss erhalten bleiben. 

Der Historikerverband weist nachdrücklich auf diesen für alle universitären Fächer bedrü-ckenden Missstand hin und plädiert dafür, die 12-Jahresregelung für Forschungseinrichtun-gen und Universitäten aufzuheben und arbeitsrechtliche Regelungen zu treffen, die sich an den Realitäten der gegenwärtigen Lehr- und Forschungssituation orientieren. Hochqualifi-zierte WissenschaftlerInnen sollten nicht per Gesetz daran gehindert werden, sich um die Finanzierung öffentlich geförderter Forschungsprojekte zu bewerben. Darauf aber liefe die Verweigerung eines – aus Drittmitteln finanzierten – Anstellungsverhältnisses durch die Universitäten hinaus. 

Frankfurt am Main, 08. Mai 2012 

V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Simone Lässig (Schriftführerin)