VHD hat renommierte Forschungspreise auf dem 50. Deutschen Historikertag vergeben

26. September 2014

Der VHD hat am 27. September 2018 auf der Festveranstaltung des 52. Deutschen Historikertages
zwei herausragende Habilitationen und eine herausragende Dissertation ausgezeichnet. Der
Übersetzungspreis der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius wurde zum zweiten Mal vergeben.
Im Rahmen des Deutschen Historikertages vergibt der Verband der Historiker und Historikerinnen
Deutschlands e.V. alle zwei Jahre Preise zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Am
gestrigen Abend wurden folgende Preisträgerinnen und Preisträger ausgezeichnet:

Der Hedwig-Hintze Preis geht an Katharina Kreuder-Sonnen:
Der Hedwig-Hintze-Preis des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands wird für
hervorragende Dissertationen aus allen Epochen und Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft
vergeben. Katharina Kreuder-Sonnen wurde für ihre Dissertation „Wie man Mikroben auf Reisen
schickt. Zirkulierendes bakteriologisches Wissen und die polnische Medizin 1885-1939“
ausgezeichnet. Der Hedwig-Hintze-Preis ist mit 5.000 € dotiert.
Katharina Kreuder-Sonnen studierte von 2003 bis 2009 an den Universitäten Tübingen und Krakau
Neuere und Neueste Geschichte. Sie promovierte ab 2010 zunächst als Mitglied des International
Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Universität Gießen und arbeitete von 2013 bis
2016 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn. Ihre
Forschung führte Katharina Kreuder-Sonnen unter anderem 2010 an das Deutsche Historische
Institut in Warschau und im Wintersemester 2012/13 an das Max-Planck-Institut für
Wissenschaftsgeschichte in Berlin. 2016 wurde sie an der Universität Gießen promoviert und ist
seitdem als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Universität Siegen tätig.
In ihrer Dissertationsschrift untersucht Katharina Kreuder-Sonnen die Praktiken polnischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, bakteriologisches Wissen transnational zu mobilisieren
und integriert mittelosteuropäische Akteure dabei in eine globale Wissensgeschichte. Die Arbeit
beleuchtet insbesondere die praktische und materielle Logistik in Prozessen der Wissenszirkulation
und stellt so gängige Vorstellungen von wissenschaftlichen Zentren und Peripherien infrage. Darüber
hinaus wird die Geschichte der Bakteriologie mit den multiethnischen imperialen Kontexten
Ostmitteleuropas und ab 1918 mit der polnischen Nationalstaatsbildung verknüpft.

Fabian Klose erhält den Carl-Erdmann-Preis:
Auf dem 52. Historikertag in Münster wurde Fabian Klose für seine Habilitationsschrift „In the Cause of Humanity. Eine Geschichte der humanitären Intervention im langen 19. Jahrhundert“ mit dem Carl-Erdmann-Preis ausgezeichnet. Der Carl-Erdmann-Preis ist mit 6.000 € dotiert und wird für herausragende Habilitationen vergeben.
Fabian Klose studierte Geschichte und Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2007 wurde er promoviert. Von 2008 bis 2009 war Fabian Klose DAAD-Postdoc-Stipendiat an der University of Minnesota und Lecturer am Departement of History der Princeton University. Seit 2009 war er u. a. im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes „In the Cause of Humanity“ Mitarbeiter am Historischen Seminar der LMU München und ist seit 2012 Mitarbeiter in der Abteilung für Universalgeschichte am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz. 2017 habilitierte sich Fabian Klose an der LMU München. Ab Oktober wird er an der LMU München eine Vertretungsprofessur im Fach Neuere und Neueste Geschichte übernehmen.
In seiner Habilitationsschrift zeigt Fabian Klose, wie die Idee des militärischen Schutzes humanitärer Normen an verschiedenen Schauplätzen in Afrika, Asien, Europa und Amerika entstand, sich im kolonialen wie imperialen Kontext verfestigte und schließlich Eingang in zentrale Völkerrechtstexte fand. Mit seiner Arbeit leistet Fabian Klose einen grundlegenden Beitrag zur neuen Historiographie der internationalen Beziehungen, des internationalen Völkerrechts und des internationalen Humanitarismus im langen 19. Jahrhundert.


Rüdiger Bergien erhält den Carl-Erdmann-Preis:

Rüdiger Bergien wurde auf dem 52. Historikertag in Münster für seine Habilitationsschrift „Im ‚Generalstab der Partei‘. Organisationskultur und Herrschaftspraxis in der SED-Zentrale (1946-1989)“ mit dem Carl-Erdmann-Preis ausgezeichnet.
Rüdiger Bergien ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte Geschichte und Germanistik u. a. in Göttingen und Berlin. 2008 wurde er an der Universität Potsdam promoviert, an der er auch als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Seit 2009 ist er Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Hier forschte er zur Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei (SED) und arbeitet derzeit an einer Studie, die den Wandel der Informationsverarbeitung in Polizeibehörden und geheimen Nachrichtendiensten in Deutschland nach 1945 zum Gegenstand hat. 2017 habilitierte sich Rüdiger Bergien an der Humboldt-Universität zu Berlin.
In seiner Habilitationsschrift „untersucht Rüdiger Bergien den zentralen Parteiapparat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), den Apparat des Zentralkomitees (ZK). Dabei analysiert er die organisatorische Entwicklung, das Personalprofil sowie das „Innenleben“ dieses Apparats, von der internen Kommunikation über kollektive Mentalitäten bis hin zur Bedeutung von Korruption. Ein Schwerpunkt wird auf den politischen Einfluss gelegt, den die Abteilungen des ZK auf Partei, Staat und Gesellschaft ausübten. Ausgehend von den Perspektiven der historischen Organisationsforschung betont Bergien die Bedeutung von Professionalisierung und personalen sowie institutionellen Netzwerken als Machtressourcen und zeichnet so ein differenziertes Bild von der „Apparatsherrschaft“ in der DDR.


Franziska Davies erhält den Übersetzungspreis der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

Zum zweiten Mal wurde jetzt auf dem Deutschen Historikertag der Übersetzungspreis der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius verliehen. Franziska Davies erhielt am 27. September 2018 den Übersetzungspreis für ihre Dissertation „Muslims in the Russian Army, 1874-1917“. Der Preis ist mit 10.000 € dotiert und dient dazu, die Arbeit in eine andere Sprache übersetzen zu lassen. Die Arbeit wird ins Russische übersetzt.
Franziska Davies studierte Osteuropäische Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie an der Europäischen Universität in St. Petersburg. Bereits während ihres Studiums setzte sich Franziska Davies intensiv mit der Imperialgeschichte Russlands auseinander. 2016 promovierte sie an der LMU München, an der sie zunächst als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und jetzt als Akademische Rätin am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte am Historischen Seminar tätig ist.
In ihrer Arbeit „Muslims in the Russian Army, 1874-1917“ nimmt Franziska Davies in den Blick, wie Russland mit seinen Muslimen umging und inwiefern diese den russischen Staat als politische Ordnung anerkannten. Ihre Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur internationalen Forschungsdiskussion über den Umgang des Zarenreichs mit nicht-orthodoxen Religionen sowie den Wandel seiner muslimischen Gemeinschaften in einer Zeit tiefgreifender Reformen und eines wachsenden russischen Nationalismus. Am Beispiel der Institution der Armee arbeitet Franziska Davies die inneren Widersprüche im Zarenreich des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts heraus.


Der Habilitationspreis des VHD wird seit 2012 unter dem Namen Carl-Erdmann-Preis vergeben. Carl Erdmann (1898-1945) gilt als einer der wichtigsten Mediävisten des 20. Jahrhunderts, der während des Nationalsozialismus für die Freiheit und Unabhängigkeit der Geschichtswissenschaft eintrat. Seine Habilitationsschrift „Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens“ stellt immer noch ein grundlegendes Standartwerk zum diesem nach wie vor aktuellen Thema dar. Als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus lehnte er diesen offen und couragiert ab. Daraufhin wurde ihm 1936 der Lehrauftrag an der Goethe-Universität Frankfurt am Main entzogen. Erdmann blieb jedoch Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica. Seine in dieser Zeit vorgelegten Editionen und quellenkritischen Arbeiten verbanden geschichtswissenschaftliche Grundlagenforschung mit zukunftsweisenden Fragestellungen. 1943 wurde er mit über 40 Jahren zu Wehrmacht eingezogen. Carl Erdmann verstarb 1945 an Fleckfieber.
Der nach Hedwig Hintze benannte Preis des VHD richtet sich an jüngst Promovierte und wird seit 2002 für eine hervorragende Dissertation aus allen Epochen und Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft vergeben. Hedwig Hintze (1884-1942) war eine deutsche Neuzeit-Historikerin mit dem Schwerpunkt Französische Revolution. Zur französischen Verfassungs- und Revolutionsgeschichte promovierte und habilitierte sich Hedwig Hintze in den 1920er Jahren in Berlin. Mit ihrer anti-nationalistischen und demokratischen Einstellung und als Befürworterin der Weimarer Verfassung erhielt sie viel Kritik durch Historiker-Kollegen. Zwischen 1926 und 1933 gehörte Hintze zur Redaktion der renommierten Historischen Zeitschrift. Ihre Anstellung und ihre Lehrbefugnis verlor sie 1933 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung. 1939 emigrierte sie in die Niederlande. Einem Ruf an die New School for Social Research konnte Hintze aufgrund der Besetzung der Niederlande 1940 nicht mehr folgen. Sie verstarb 1942 in Utrecht.

Preisträger des Doktorandenforums
Ebenfalls am 27. September hat der VHD gemeinsam mit der Gerda Henkel Stiftung vier herausragende Promotionsprojekte, die im Doktorandenforum präsentiert werden, ausgezeichnet. Im Doktorandenforum werden Promotionsprojekte in Posterform ausgestellt. Die vierköpfige Jury hat folgende Preisträger ermittelt: Einen ersten Preis erhalten jeweils Kevin Lenk für sein Poster „Umstrittene Opfer. Viktimisierungs- und (De-)Mobilisierungsprozesse in der Konfrontation zwischen bundesrepublikanischem Staat und linken Gewaltgruppen, 1970-1977“ und Franzisca Scheiner für ihr Poster „Die Commenda – Ein riskantes Unternehmen“. Einen zweiten Preis bekommen jeweils Michal Korhel für sein Poster „Kinder des Grenzlands. Deutsch-tschechische Kinder in Politik und Gesellschaft der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg“ und Lino Wehrheim für sein Poster „Ökonomischer Sachverstand im Spiegel von Politik und Presse – Eine digital-historische Untersuchung der Bedeutung ökonomischen Expertenwissens in Deutschland, 1965-2015“.


Historikerverband zeichnet herausragende Schülerprojekte aus
Die Schülerpreise des VHD gehen an vier Preisträger des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) zeichnete auf der Festveranstaltung des 52. Deutschen Historikertages in Münster Frederico Cassarà, Jens Ulrich Noske, Jasper Siegert und Florentin Seifert für ihre hervorragenden Leistungen im Fach Geschichte aus. Der Schülerpreis wird alle zwei Jahre auf dem Historikertag gemeinsam mit der Körber-Stiftung vergeben. Die vier Preisträger wurden bereits zuvor beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten »Gott und die Welt. Religion macht Geschichte« 2016/17 ausgezeichnet. Als Preis erhalten alle Schüler das Buch »Luther. Der Mensch Martin Luther« von Lyndal Roper«.
Frederico Cassarà (19 Jahre) aus Bönnigheim beschreibt in seiner Arbeit »Katholisch-kommunistische Beziehungen im Italien der Nachkriegszeit. Zwischen Konflikt und Kompromiss« die Koexistenz katholischer Praxis und kommunistischer Bewegung in der italienischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Beispiel des süditalienischen Ortes Melitello untersucht Cassarà deren Vereinbarkeit im Privaten sowie die Auswirkungen von katholischer Konfession und Kommunismus auf die italienische Gesellschaft und Politik.
Jens Ulrich Noske (19 Jahre) aus Lüdinghausen erhält den VHD-Preis für seine Arbeit »Religiöse Motivation politischen Handelns am Beispiel Fürstbischof Christoph Bernhards von Galen«. Er beschäftigt sich darin mit der Geschichte des Fürstbischofs während des Absolutismus und des Dreißigjährigen Krieges. Untersucht werden insbesondere religiöse Elemente im politischen Handeln des Münsteraner Fürstbischofs. Dabei thematisiert Noske u. a. dessen Verhältnis zum Heiligen Stuhl und zu den Kreuzzügen.
Jasper Siegert (18 Jahre) und Florentin Seifert (19 Jahre) aus Oldenburg werden für ihr Schülerprojekt »›Lever dood als slaav‹. Der Kreuzzug gegen die Stedinger Bauern und seine Ideologisierung im ›Dritten Reich‹« ausgezeichnet. Darin rekonstruieren sie den Kreuzzug gegen die Stedinger Bauern und untersuchen die geschichtspolitische Instrumentalisierung des Ereignisses während des
Nationalsozialismus. Siegert und Seifert zeigen in ihrer Arbeit die Bedeutung der Dechiffrierung historischer Darstellungen und Instrumentalisierungen.

Für Rückfragen:

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands ist das Vertretungsorgan der deutschen Geschichtswissenschaft in der Öffentlichkeit. Kernaufgabe des VHD ist die Veranstaltung des Deutschen Historikertages – eine der größten geisteswissenschaftlichen Konferenzen Europas, zuletzt mit 3.500 Teilnehmern. Als Interessenvertretung mit zurzeit 3300 Mitgliedern setzt sich der Historikerverband in vielfältiger Weise für die Belange seiner Mitglieder ein und steht als Fachverband im ständigen Dialog mit Hochschulen, hochschulnahen Einrichtungen und der Gesellschaft.