VHD sieht eine Ausweitung des Forschungsratings des Wissenschaftsrates kritisch 

28. September 2013

Der VHD beurteilt die vom Wissenschaftsrat geplante Ausweitung des Forschungsratings kritisch. Aufwand und Ertrag des Ratings stehen aus der Sicht des VHD in keinem angemessenen Verhältnis. 

Auf seiner soeben beendeten Herbstsitzung in Mainz hat der Wissenschaftsrat eine Ausweitung des Forschungsratings beschlossen, nachdem die vier Fächer Chemie, Soziologie, Elektrotechnik und Anglistik/Amerikanistik in einem Pilotverfahren geratet worden waren. Vorstand und Ausschuss des Deutschen Historikerverbandes würdigen die Initiative des Wissenschaftsrates, ein fachspezifisches Rating einzurichten, dass neben quantitativen Erhebungen – die in den bekannten Rankings wie dem internationalen Times Higher Education Ranking bis zum deutschen CHE-Hochschulranking vorherrschen – auch viele qualitative Aspekte einbezieht und so den Anforderungen der einzelnen Fächerkulturen Rechnung tragen will. 

Der VHD ist weder in Bezug auf Forschung noch auf Lehre gegen kompetitive und bewertende Verfahren. Im Gegenteil: Die deutschen Historikerinnen und Historiker stellen sich seit jeher in vielen Bereichen wettbewerblichen Verfahren erfolgreich, wie zum Beispiel der Exzellenzinitiative, in denen sie auch nach außen hin sichtbar bewertet werden. 

In Bezug auf eine Evaluation einer gesamten Disziplin, im Falle der Geschichtswissenschaft ein aus fünf großen Epochen (Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte sowie Zeitgeschichte) und vielen Teilfächern (u.a. Geschichtsdidaktik, Theorie und Methoden der Geschichte, Wissenschafts-, Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Politikgeschichte) bestehendes Fach, erscheint es dem VHD wichtig festzuhalten: 

1. Der Aufwand einer qualitativen Bewertung einer Disziplin, die auf der Lektüre von umfang-reichen Texten aller Standorte und Fachrichtungen basieren muss, ist immens. 

2. Demgegenüber ist der Ertrag fragwürdig, da sich die Bewertung des Ratings auf Standorte bezieht. Durch eine einzelne Emeritierung und Neuberufung können sich aber die Verhältnisse an einem Forschungsstandort erheblich verändern. Das Rating, das mit der Vergabe einer bestimmten Note (exzellent, sehr gut, gut, befriedigend, nicht bewertbar) die Bewertung eines bestimmten Standorts für lange Zeit festschreibt, hat in der Wirklichkeit eine geringe Halbwertzeit. 

3. Das umfangreiche qualitative Bewertungsverfahren des Wissenschaftsrates ist durch ausländische Gutachter, die u.U. unbefangen die Entwicklung einer Disziplin bewerten könnten, allein nicht zu leisten. Selbst in den relativ kleinen Fächern Anglistik und Amerikanistik, die in hohem Maße auf Englisch publizieren, wurden überwiegend deutsche Fachkollegen zur Bewertung der Forschung herangezogen. Das Rating eines großen Fachs wie der Geschichtswissenschaft würde bedeuten, dass die Gruppen der Bewertenden und Bewerteten in noch höherem Maße identisch wären. In einem solchen Verfahren, das eingespielte gegenseitige Kenntnis oder sogar Befangenheit in Kauf nehmen muss, ist es mehr als wahrscheinlich, dass herrschende Vorannahmen über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Standorte eines Fachs in hohem Maße das Ergebnis des Ratings präjudizieren. Dies rechtfertigt es nicht, erhebliche Kräfte einer Disziplin für ein Forschungsrating zu binden. Besser ist es, diese ihrer Arbeit, der Forschung und Lehre, nachgehen zu lassen. 

Die Geschichtswissenschaft ist eine sehr sichtbare Disziplin, die aus dem Fach heraus sowie von außen permanenter Bewertung unterzogen ist. Das vom Wissenschaftsrat geplante Rating beurteilt der VHD weiterhin kritisch. Er wird sich jedoch an Diskussionen über die Möglichkeit der Entwicklung und Messung von Qualitätsstandards beteiligen.

V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Martin Schulze Wessel (Vorsitzender) / Prof. Dr. Johannes Paulmann (Schriftführer)