VHD spricht sich gegen polnisches Gesetz zu NS-Verbrechen aus

20. Februar 2018

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) sieht die Freiheit der Wissenschaft und Meinungsäußerung massiv durch das polnische Gesetz bedroht, das Aussagen zur polnischen Beteiligung an NS-Verbrechen unter Strafe stellt. Allein ein sprachsensibler öffentlicher Umgang und umfassende historische Bildung können der Verwendung falscher Begriffe wie „polnische Konzentrationslager“ entgegenwirken.

Die polnische Regierung hat kürzlich eine Gesetzesnovelle veröffentlicht, die Personen bestraft, die öffentlich „und faktenwidrig der polnischen Nation oder dem polnischen Staat eine Verantwortung oder Mitverantwortung für die NS-Verbrechen, die vom Deutschen Dritten Reich verübt wurden […] zuschreib[en].“ Eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren werden angedroht. Es bezieht sich auf Äußerungen von polnischen Staatsbürgern und Ausländern.
Die jetzt in Gesetzesform gegossene Sanktionierung bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. „Die Darstellung und Bewertung von Geschichte darf nicht als Staatsdoktrin verordnet und die Justiz dafür instrumentalisiert werden. Sie muss vielmehr auf der Basis historischer Quellen immer wieder neu kritisch verhandelt werden“, so Eva Schlotheuber, Vorsitzende des VHD. „Das polnische Gesetz droht neben einer strafrechtlichen Ver-folgung zu einem massiven öffentlichen Druck auf Historikerinnen und Historiker im In- und Ausland zu führen, den wir scharf verurteilen.“ Der VHD bekräftigt seinen bereits geäußerten Appell, an der Freiheit der Wissenschaft festzuhalten und ruft die polnische Regierung dazu auf, das Gesetz zurückzunehmen.
Das Änderungsgesetz enthält keine expliziten Strafvorschriften für die Verwendung der Begriffe „polnische Lager“ oder „polnische Konzentrationslager“. Aus der Begründung des Gesetzes geht aber klar hervor, dass diese Begriffe ein Hauptgrund für die Novellierung waren, die nun zahlreiche und weitreichende Straftatbestände einführt. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) hat bereits vor vier Jahren darauf hingewiesen, dass Begriffe wie „polnische Konzentrationslager“ als falsch abzulehnen sind ( https://www.historikerverband.de/presse/pressemitteilungen/vhd-lehnt-begrifflichkeiten-wie-polnische-konzentrationslager-als-falsch-ab-zrzeszenie-historykow-i-historyczek-niemiec-odrzuca-okreslenie-polskie-obozy-koncentracyjne-jako-falszywe.html  ). Diese suggerieren eine unzutreffende Vorstellung von der Verantwortung für die NS-Verbrechen, derer sich Deutschland in seiner Verantwortung und Schuld vollumfänglich bewusst sein muss. Gerade die deutschen Historikerinnen und Historiker sind aufgerufen, weiterhin kritisch geschichtspolitischen Äuße-rungen entgegenzutreten, die unfundiert die deutsche Schuld an den Verbrechen in Polen relativieren.
Ein sensibler Umgang mit Begriffen in der Öffentlichkeit und im Geschichtsunterricht ist die einzige Möglichkeit, vor ihrer falschen oder unangemessenen Verwendung zu schützen. Meinungsfreiheit bedeutet eben auch, gegensätzliche Ansichten auszuhalten. Sie gehört zusammen mit der Freiheit der Wissenschaft und dem Aushandeln von Ge-schichtsbildern zu den Grundpfeilern einer Demokratie. Selbstverständlich sind diese demokratischen Grundrechte nicht, sondern dafür müssen wir uns immer wieder einsetzen.

Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. ist die Interessenvertretung des Faches Geschichte gegenüber gesellschaftlichen Organisationen und staatlichen Behörden, er unterstützt die internationale Vernet-zung der Geschichtswissenschaft, setzt sich für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein und veranstaltet im zweijährigen Rhythmus den Deutschen Historikertag. Der VHD hat zurzeit 3.200 Mitglieder.


V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Eva Schlotheuber (Vorsitzende) / Prof. Dr. Johannes Paulmann (Schriftführer)