Stellungnahme des VHD zum Referentenentwurf (WissZeitVG)
Am 06.06.2023 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Referentenentwurf zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) publik gemacht und die Stakeholder aus Wissenschaft und Hochschule um Stellungnahmen gebeten.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Entwurf rechtliche Klarheit bei der Berücksichtigung von familien- und inklusionspolitisch relevanten Lebensumständen schafft und die Höchstdauer von Beschäftigungsjahren für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen während der Studienzeit verlängert.
Die Situation der Promovierenden wird durch den jetzigen Reformvorschlag aus unserer Sicht verbessert. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Entwurf eine dreijährige Mindestvertragsdauer bei Erstverträgen für Promovierende vorsieht und auch klar die Priorität von Qualifizierungszielen bei der Vereinbarung befristeter Arbeitsverträge für Promovierende vorschreibt. Der Entwurf sollte ermöglichen, dass der Wechsel von Stipendiat:innen in der Promotionsphase auf Mitarbeitendenstellen durch diese Regelung nicht behindert wird. Wir schlagen weiterhin vor, konsequent die empirisch ermittelten Zeiten für den erfolgreichen Abschluss einer Promotion der gesetzlichen Rahmenordnung zugrunde zu legen und empfehlen weiterhin eine vierjährige Mindestvertragsdauer mit Verlängerungsmöglichkeit um zwei Jahre.
Dass die Qualifizierungsziele nach der Promotion wieder mit 4 + 2 Jahren einen größeren zeitlichen Spielraum erhalten sollen, ist begrüßenswert, aber aus unserer Sicht angesichts der etablierten guten wissenschaftlichen Praxis in der Geschichtswissenschaft zu kurz. Es drohen künftigen Postdocs angesichts des Mangels entfristbarer Planstellen an den Universitäten nach vier Jahren noch schlechtere Arbeitsbedingungen als jetzt schon; der Kreis derer, die nach vier Jahren unter prekären Bedingungen arbeiten müssten, nähme weiter zu. Insgesamt hätte die Umsetzung dieser Regelung in der aktuellen Finanzierungslage dramatische Folgen für die Qualität von Forschung und Lehre in unserem Fach, da Zeit für innovative, profunde Forschung in einer entscheidenden Phase der wissenschaftlichen Entwicklung weiterhin verknappt würde. De facto wird der Profilierungsweg der befristeten Assistenz abgeschnitten, ohne Zeit und Geld für die Entwicklung von Alternativen bereitzustellen. Wir warnen deshalb ausdrücklich: Der aktuelle Entwurf wird ohne flankierende finanzielle Anstrengungen von Bund, Ländern und Hochschulen zur angemessenen Grundfinanzierung universitärer Forschung und Lehre gegenteilige Wirkungen entfalten. Es werden nur wenige Stellen zur Verfügung stehen und die Zahl drittmittelfinanzierter, befristeter Beschäftigungsverhältnisse wird weiter zunehmen. Dies halten wir für den wissenschaftspolitisch falschen Weg.
Postdocs und Promovierende leisten unverzichtbare Arbeit in Lehre und Forschung. Viele haben strukturbedingt nur Halbtags- bzw. Teilzeitstellen und ein erhöhtes Lehrdeputat, was zu finanziell prekären Verhältnissen führt und die Möglichkeit erfolgreicher eigenständiger Forschung stark beschränkt. Zu beiden Punkten macht der Entwurf keine (z.B. arbeits-rechtlichen) Verbesserungsvorschläge, obwohl sie in der Praxis gewichtige Hindernisse für die weitere Qualifizierung im Bereich von Forschung darstellen.
Die Umsetzung der Reform bedarf deutlich längerer Übergangsfristen. In der Geschichtswissenschaft müssten bei Inkrafttreten dieses Entwurfs wie in vielen anderen Disziplinen erst angemessene, fachspezifische Formate für die erneut verkürzte Postdoc-Phase definiert werden, um Qualitätsstandards zu sichern und fairen Wettbewerb um entfristete Stellen zu ermöglichen. Wir wiederholen deshalb noch einmal unsere Forderung: Auch in der Geschichtswissenschaft schaden prekäre Arbeitsbedingungen der Qualität universitärer Forschung und Lehre. Es braucht deutlich mehr Dauerstellen in der Breite, um für die Zukunft die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland nachhaltig zu sichern.
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