Deutscher Historikertag: VHD wählt neuen Vorstand und vergibt renommierte Forschungspreise
Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. (VHD) hat auf der Mitgliederversammlung am 8. Oktober 2021 Lutz Raphael zum neuen Vorsitzenden gewählt. Bereits am Vorabend hatte der VHD auf der Festveranstaltung des 53. Deutschen Historikertages eine herausragende Habilitation und zwei herausragende Dissertationen ausgezeichnet. In Kooperation mit der Körber Stiftung wurde der Schüler:innenpreis im Fach Geschichte vergeben. Im Vorfeld des Kongresses zeichnete der VHD acht Promovierende im Fach Geschichte in einem Essaywettbewerb mit Stipendien aus.
Neuer VHD Vorstand gewählt
Die Mitgliederversammlung hat auf ihrer digitalen Sitzung am 8. Oktober 2021 satzungsgemäß einen neuen Vorstand gewählt. Damit endete die fünfjährige Amtszeit von Eva Schlotheuber (Düsseldorf) als Vorsitzende des VHD. Auch Frank Bösch (Potsdam), Sitta von Reden (Freiburg) und Johannes Paulmann (Mainz) verlassen nach mehrjährigen Amtszeiten den Vorstand.
Zum neuen Vorsitzenden wurde Lutz Raphael (Trier) gewählt. Lutz Raphael ist Senior-Forschungsprofessor und ehemaliger Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier. Er erhielt 2013 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)und war 2007-2013 Mitglied im Wissenschaftsrat. Außerdem wurden Dorothea Weltecke (Berlin) als Stellvertretende Vorsitzende, Harriet Rudolph (Regensburg) als Schriftführerin und Sebastian Schmidt-Hofner (Tübingen) als Schatzmeister in den neuen Vorstand des VHD gewählt.
Forschungspreise vergeben
Der VHD vergibt im Rahmen des Deutschen Historikertages Preise zur Förderung promovierender und habilitierender Historiker:innen. Der Carl Erdmann Preis wird für eine herausragende Habilitationsschrift vergeben und ist mit 6.000€ dotiert. Der Hedwig Hintze Preis zeichnet herausragende Dissertationen aus und ist mit 5.000€ dotiert. In einem mehrstufigen Verfahren sowohl von Mitgliedern des VHD Ausschusses, als auch von externen Historiker:innen wurden die eingereichten Arbeiten begutachtet. Am Abend des 7. Oktober 2021 wurden folgende Preisträger:innen ausgezeichnet:
Carl Erdmann Preis
Marc Buggeln (Berlin) wurde für seine Habilitationsschrift „Das Versprechen der Gleichheit: Progressive Steuern und die Reduktion sozialer Ungleichheit 1871 bis 1945“ mit dem Carl Erdmann Preis ausgezeichnet.
Über acht Jahrzehnte hinweg verfolgt der Autor Finanzwissenschaft und Finanzpolitik der Länder Großbritannien, Frankreich, Schweden, USA und Sowjetunion. Auf einer solch breiten Vergleichsgrundlage beurteilt er die deutsche Entwicklung, die im Mittelpunkt seines Interesses steht und den roten Faden vorgibt. Dabei gelingt es ihm stets, gut verständlich die großen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den Blick zu nehmen, nach finanzwissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen und ideologischen Anstößen, nach der Beschaffenheit und den Wirkungen der Steuerpolitik zu fragen und zu beleuchten, was seine Befunde zur Klärung historischer Kontroversen beisteuern. Marc Buggelns Habilitationsschrift ist ein gut lesbarer Beitrag zu einem aktuellen, viel diskutierten Thema, dem eine aufwändige Forschungsleistung auf bemerkenswert breiter Materialbasis zugrunde liegt.
Hedwig Hintze Preis
Anna Catharina Hofmann (Halle) erhält für Ihre Dissertation „Francos Moderne. Technokratie und Diktatur in Spanien 1956-1973“ und Irina Saladin (Tübingen) für Ihre Dissertation „Karten und Mission. Die jesuitische Konstruktion des Amazonasraums im 17. und 18. Jahrhundert“ den Hedwig Hintze Preis.
Anna Catharina Hofmanns Dissertation über „Francos Moderne. Technokratie und Diktatur in Spanien 1956-1973“ ist eine besonders preiswürdige Arbeit. Die ökonomischen Reformen im spät franquistischen Spanien sind natürlich schon häufiger thematisiert worden. Hofmanns elegant formulierte Dissertation setzt jedoch viele neue Akzente. Das gilt bereits für ihren methodischen Ansatz. Auf Grundlage einer breiten Archiv-und Quellenauswertung verbindet sie Politik-, Wissens-und Wirtschaftsgeschichte mit einem biographischen Zugang. Die Konzepte und Praktiken des spanischen Planungskommissars Laureano López Rodó bildet einen roten Faden, um die spanische Staats-und Gesellschaftsgeschichte vertieft auszuleuchten.
Den komplexen Prozess der Erstellung von Karten als einer Form der Wissensproduktion widmet sich Irina Saladins Dissertation. Sie nimmt die Jesuiten in den Blick, die im 17. und 18. Jahrhundert im Amazonasraum, konkret im Reino de Quito, missionierten und unter anderem Karten über das Gebiet erstellten. Die Repräsentation des Raums in all ihren Facetten und die sich daraus entfaltenden Sinnzuschreibungen, wie sie die Kartenhersteller, aber auch die Rezipienten vornahmen, werden ebenso einer eingehenden Analyse unterzogen, wie die Frage nach den beteiligten Akteuren und dem Kontext, in dem die Karten entstanden. Saladin zeigt auf der Basis von umfangreichem Quellenmaterial die Bedeutung und den Zusammenhang von Mission und Wissensproduktion auf. Die Studie besticht durch ihr theoretisches und methodisches Fundament. Irina Saladin kann den performativen Charakter von Karten und die darin enthaltenen Übersetzungsleistungen überzeugend herausarbeiten.
Schüler:innenpreis
Hanna Stoldt erhält für Ihre Arbeit „1958: Eine Revolution in den Forstbaumschulen–und was mein Uropa damit zu tun hatte“ und Henri Karaski für seine Arbeit „Glücklicher Zufall oder gutes Management? Warum die Transformation eines Volkseigenen Betriebes in ein mittelständisches Unternehmen Erfolg hatte. Analyse der Privatisierung der PAKA Glashütter Pappen- und Kartonagenfabrik GmbH“ den Schüler:innenpreis im Fach Geschichte. Den Preis vergibt der VHD in Kooperation mit der Körber Stiftung.
Stipendien für Promovierende
Der VHD zeichnete anlässlich des 53. Deutschen Historikertags und mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung innovative und qualitativ herausragende Dissertationsprojekte in der Geschichtswissenschaft aus. Eine vom VHD Ausschuss eingesetzte Jury hat alle eingereichten Essays begutachtet und die besten Beiträge ausgewählt. Die Gewinner:innen sind: Marie Behrendt, Lennart Bohnenkamp, Konrad Hauber, Gerrit Hollatz, Lukas Jansen, Laura Potzuweit, Raphael Rössel und Gil Shohat. Sie erhielten ein Stipendium in Höhe von 500 Euro.
Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V. (VHD)ist das Vertretungsorgan der deutschen Geschichtswissenschaft in der Öffentlichkeit. Kernaufgabe des VHD ist die Organisation des Deutschen Historikertages, den er zusammen mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands alle zwei Jahre veranstaltet. Als Interessenvertretung setzt sich der VHD darüber hinaus in vielfältiger Weise für die Belange seiner Mitglieder ein und steht als Fachverband im ständigen Dialog mit Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Der VHD hat zurzeit etwa 3.500 Mitglieder.
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Lutz Raphael (Vorsitzender) / Prof. Dr. Harriet Rudolph (Schriftführer)
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